Zwischen Dokumentation und Kunst

Der Fotograf Marc Hillesheim und der Lichtgestalter Olaf Kaul spüren historischen Basaltabbau- und unterirdischen Bierbrau-Stätten nach …

Foto von Marc Hillesheim

… – und dokumentieren dabei ein 7.000 Jahre altes Wechselspiel zwischen Mensch und Natur.

Mattglänzende Basaltsäulen ragen, sechseckig und haushoch, in den Sternenhimmel, altertümliche Kräne in die Nacht. Archaische Steinmauern stehen zwischen verwunschenen Tannen. Menschengemachte Höhlen werden von menschengemachten Stütz-Pfeilern aufrechterhalten. Der Blick geht hinauf und hinaus aus Brunnenschächten auf erleuchtete Baumkronen; Natur und Industrie-Kultur verschmelzen miteinander. Wer verstehen will, was das alles soll, was diese seltsam anmutenden, künstlich erleuchteten Nacht-Fotografien wollen, muss das Rad der Zeit 7.000 Jahre zurückdrehen – genau genommen sogar 200.000 Jahre.

Niedermendig heißt die Ortschaft, in deren Nähe diese Aufnahmen entstanden sind. Der Name dürfte wohl nur bei wenigen Menschen Assoziationen hervorrufen, und doch steht die Kleinstadt in der Osteifel für etwa Großes, ein Superlativ sogar. In dem Ort im Eifeler Mühlsteinrevier gab es einst nämlich das größte Basaltbergwerk der Welt. Als der Basaltabbau im 19. Jahrhundert wirtschaftlich immer weniger Sinn machte, das Linde-Verfahren, die künstliche Kühltechnik also, noch nicht erfunden war, reüssierten die Schächte und Höhlen mit ihrer konstanten Temperatur zwischen 5 und 8 Grad Celsius als Bierbrau- und -kühlstätten. Das machte Niedermendig zeitweise zu einer der größten Braustätten weit und breit.

Der Ausgangspunkt für die Entstehung dieses kulturhistorischen, technologischen und bierbraukünstlerischen Hotspots ist eine ausgewachsene Naturkatastrophe: Vor 200.000 Jahren brechen in der Osteifel Vulkane aus, ergießen ihre Lava ins Gebiet zwischen den heutigen Orten Mendig und Mayen und hinterlassen eine bis zu 60 Meter starke Basalt-Schicht. Der Mensch tritt vor etwa 7.000 Jahren auf den Plan. Er baut das harte vulkanische Gestein ab, mit dem Ziel, das harte Material für Mühlsteine und später für den Hausbau zu gewinnen.

Der Basaltabbau wie auch die spätere Umnutzung des Terrains als Gär- und Lagerkeller sind Geschichte. Heute dienen die Lavakeller ungezählten Fledermäusen als Unterschlupf – und die Steinbrüche Freeclimbern als Parcours. Im Mühlsteinrevier stoßen Freikletterer und Wanderer immer wieder auf Relikte der 7.000-jährigen Kulturgeschichte: Kräne, Loren und Schienen, die einst zum Abtransport der Steine gebraucht wurden. Bizarre Felsformationen und steile Abbrüche, die zig Meter in die Tiefe abfallen. Bemooste und beflechtete Stützmauern und Kran-Fundamente.

Inszenierung statt purer Dokumentation

All das klingt nach reichen fotografischen Jagdgründen, und doch brauchte es eine Pandemie und zwei Ortskundige, um sie zu erschließen. Der Fotograf Marc Hillesheim lebt inzwischen in Köln, wuchs aber in der Gegend auf, genau wie sein Schulfreund Olaf Kaul, der immer noch dort zu Hause ist und als Software-Experte arbeitet. Während des Lockdowns entdeckten die Freunde ihre einstigen Spielstätten wandernder- und fotografierenderweise neu – und schmiedeten den Plan zu „Finsterlay“.

„Lay“ oder auch „Ley“ ist ein alter Begriff für Klippe oder Felsen. In der Eifel hat man damit schon immer die Basalt-Steinbrüche bezeichnet. „Finsterlay“ haben Freeclimber irgendwann eine besonders eindrucksvolle, kreisrunde und von steilen Lavahängen umgebene Felsformation getauft. „Weil das einer unserer Lieblingsorte ist, haben wir das Projekt danach benannt“, sagt Hillesheim. Das Besondere: Statt die Orte lediglich abzulichten, entschieden sich die beiden dazu, nachts und mit Kunstlicht zu arbeiten. Während Hillesheim den fotografischen Part übernimmt, richtet Kaul Blitzgeräte gezielt auf die natürlichen und menschengemachten Formationen, die dann entfesselt von Hillesheims Kamera aus angeblitzt werden. „Die mystische Ausstrahlung dieser Orte hat viel mit der Unvermitteltheit zu tun, mit der sie aus dem Verborgenen auftauchen, wenn man zufällig auf sie stößt“, sagt Kaul. Die theatralische Lichtführung isoliere die Orte, lenke den Blick, gebe ihnen eine neue Bedeutung.

Das bereits drei Jahre andauernde Projekt umfasst inzwischen …

 


Lesen Sie den kompletten Beitrag in der aktuellen Ausgabe