Gezähmtes Glück
Fotograf und digit!-Autor Thorsten Wulff spricht mit der Beraterin Silke Güldner über Wege aus der fotografischen Midlife-Crisis.
Auf Partys wird man häufig gefragt, was man so macht. Auf meine Antwort „Ich bin Fotograf“ bekam ich so häufig ein mitleidig-ungläubiges „Kann man davon leben?“, dass ich nur noch sagte: „Ich bin Klempner“. Das Handwerk hat schließlich einen goldenen Boden und wird nicht infrage gestellt.
Vor 30 Jahren, iPhone und Instagram waren Science-Fiction, konn-te man vom Fotografieren seine Miete, die Steuern und den ganzen Rest bezahlen. Und mehr. Die 80er- und 90er-Jahre waren die fetten Jahre vor allem der Werbefotografen, es wurden Tagesgagen von 5.000 Mark gezahlt und obendrauf kamen Nutzungsrechte. Und heute: Die Folgen der globalen Pandemie für freiberufliche Fotografen lassen sich im März 2020 noch gar nicht abschätzen. Fakt ist, dass ich mir zum ersten Mal in meinem Leben die Frage stelle, wie ich den nächsten Krankenkassenbeitrag bezahlen soll.
Vor 30 Jahren, iPhone und Instagram waren Science-Fiction, konn-te man vom Fotografieren seine Miete, die Steuern und den gan-zen Rest bezahlen. Und mehr. Die 80er- und 90er-Jahre waren die fetten Jahre vor allem der Werbefotografen, es wurden Tagesgagen von 5.000 Mark gezahlt und obendrauf kamen Nutzungsrechte. Und heute: Die Folgen der globalen Pandemie für freiberufliche Fotografen lassen sich im März 2020 noch gar nicht abschätzen. Fakt ist, dass ich mir zum ersten Mal in meinem Leben die Frage stelle, wie ich den nächsten Krankenkassenbeitrag bezahlen soll.
Rückblick: Mein Freund Holger Sabino lebte in Rio de Janeiro lange sehr gut von der Fotografie. Für ein Luxushotel an der Copa lichte-te er prominente Gäste aus aller Welt ab, gelegentlich flog er zu den Fashion Weeks nach Paris und dokumentierte für die Designer die Backstage-Welt der großen Modenschauen. Als es ihn schließ-lich nach Deutschland zurückzog, ins heimische Hanau, reichte ihm ein gezieltes Zu fallstreffen mit dem Eintracht-Frankfurt-Trainer Fredi Bobic, um den Job des Vereinsfotografen zu ergattern. Holger fotografierte zwei Jahre lang Höhen und Tiefen der Mannschaft, flog mit dem DFB-Pokal 2018 im Cockpit mit und stellte seine Bilder in der Frankfurter Leica Galerie aus. Später kam noch die fotografische Begleitung des deutschen Frauen-Natio-nalteams dazu. Mit Begeisterung hatte er sein Thema gefunden, verfolgte es mit ansteckendem Optimismus und lebte dabei den Traum von vielen, mit Fotografie Geld zu verdienen. Aus dem Quark kommen Bei einem unserer letzten Treffen beim Leica Oskar Barnack Award mokierte er sich darüber, dass ich nicht „aus dem Quark“ kommen würde. Natürlich hat-ten wir des Öfteren über dieses Thema gesprochen und gemeinsam festge-stellt, dass Berlin kein guter Markt ist: unstete Kunden, schlechte Honorare, zu viel Konkurrenz. Schon allein der Lette-Verein wirft jedes Jahr zig junge, hungrige und gut organisierte Fotogra-finnen auf den Markt. Wie kann man man heute Erfolg als Fotograf haben? Ich hoffte, eine systematisch fundierte Antwort auf diese Frage zu finden. Offensichtlich ist das Eingehen von Risiken nötig, die Bereitschaft, die Bequemlichkeit der eigenen Komfortzone zu verlassen. Holgers „aus dem Quark kommen“ eben.
Wenn wir etwas älter sind, fällt es schwerer, Risiken einzugehen. Da in jeder Krise die Chance zur Veränderung steckt, ist jetzt der Moment, das Glück in die Hand zu nehmen.
Das Gespräch mit der Beraterin
Das Gespräch mit der Beraterin Silke Güldner berät Fotograf*innen, die sich auch existenzielle Fragen stellen. Sie arbeitete ursprünglich als Art-Direktorin für Mode- und Lifestylekunden und gründete später eine Repräsent-anz für Fotografen in Hamburg. Heute ist Silke Güldner erfolgreicher Fotografen-Coach und Consultant, auf der Berliner tPIC-Kon-ferenz hielt sie gleich zwei viel beachtete Vorträge vor vollem Haus. Sie erklärte einem Publikum aus diversen fotografischen Branchen, wie man das Glück einlädt, um Erfolg als Fotografin zu haben. Mir gefiel ihr entspannt-professioneller Stil, wie eine gute Therapeutin bringt sie Schwächen und potenzielle Stärken ihrer Kunden elegant auf den Punkt. Ein paar Wochen später trafen wir uns zu einem Gespräch in Hamburg.
Thorsten Wulff: Silke, wie positioniere ich mich am Markt?
Silke Güldner: Dazu erst mal eine Frage an dich: Was ist deine Ausrichtung, und wo bzw. womit hast du dir schon einen Namen ge-macht? Denn deine Positionierung solltest du sehr spezifisch auf einen Markt oder ein Genre zuschneiden. Ist es eher Fotojournalis-mus oder werbliche Fotografie? Fotografierst du Still Life oder Por-trait usw. Dann weißt du, wem du deine Arbeit verkaufen kannst, denn das ist die Basis für eine Marktpositionierung.
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digit! 3-2020
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