Nicht jeder Fotograf ist Handwerker

Der Streit darüber, ob und wann selbständig Fotografen künstlerisch oder handwerklich tätig sind, wird seit Jahrzehnten ausgetragen.

Paragraphenzeichen

Ein Fotografen-Team hat sich vor Gericht erfolgreich gegen eine zwangsweise „Verkämmerung“ gewehrt. Das Verfahren greift der Berufsverband Freier Fotografen und Filmemacher e. V. (BFF) in einer Pressemitteilung auf. 

BFF Justiziarin Dorothe Lanc

Rechtsanwältin und BFF Justiziarin Dorothe Lanc | © Klaus Mellenthin

Immer wieder kommt es vor, dass die örtliche Handwerkskammer (HWK) Fotografen gegenüber behauptet, sie seien handwerklich tätig. Die HWK fordert zunächst die Betroffenen auf, sich in die Handwerksrolle zum zulassungsfreien Fotografenhandwerk einzutragen. Folgen sie dieser Aufforderung nicht, erlässt die HWK einen Bescheid, in welchem die sie dann die Mitgliedschaft der Fotografin oder des Fotografen feststellt. Sie werden Pflichtmitglied. Eine solche Kammermitgliedschaft hat erhebliche Folgen: Kammermitglieder müssen den jährlichen Kammerbeitrag zahlen und sich der Kammeraufsicht unterordnen. Außerdem müssen diese neuen Pflichtmitglieder i. d. R. auch beim zuständigen Gewerbeamt ein Gewerbe anmelden. Dies zieht wiederum die Pflicht zur Zahlung von Gewerbesteuer und weitere Konsequenzen nach sich.

Die von der Rechtsanwältin und BFF-Justiziarin Dorothe Lanc, Düsseldorf, vertretenen Kläger sind als Fotografen im Bereich der Werbefotografie tätig und erstellen im Auftrag ihrer Geschäftskunden werbliche Fotografien. Sie üben diese Tätigkeit als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) aus. Beide Kläger verfügen über ein abgeschlossenes Hochschulstudium als Diplom-Designer, sind in der Künstlersozialkasse versichert und arbeiten zu einem gewissen Anteil auch journalistisch-redaktionell. In mehr als 20 Jahren Tätigkeit stellte die Handwerkskammer Rheinhessen die freiberufliche, künstlerische Tätigkeit der Kläger nie infrage. Mit einem Bescheid vom Juli 2020 teilte sie dann überraschend mit, die Kläger nunmehr in die Handwerksrolle eintragen zu wollen. Ihrer Meinung nach übten die Kläger ein Fotografen-Handwerk aus.

Weil der dagegen gerichtete Widerspruch der Kläger erfolglos blieb, erhoben sie vor dem Verwaltungsgericht (VG) Mainz Klage.  Das Gericht gab der Klage statt (Urteil vom 9.12.2021, Az. 1 K 952/20.MZ) und hob den Bescheid der HWK Rheinhessen über die beabsichtigte Eintragung in das Verzeichnis zulassungsfreier Handwerke auf. Das Gericht gelangte zu der Überzeugung, dass die Kläger künstlerisch tätig seien und kein zulassungsfreies Handwerk im Sinne der Vorschriften der Handwerksordnung betreiben.

Es berücksichtigte dabei die Kriterien, welche die Rechtsprechung zu dieser Frage bisher entwickelt hat: Danach können auch im Auftrag von Geschäftskunden erstellte Fotografien Kunst sein. Voraussetzung sei, dass der Fotograf dabei eigenschöpferisch und gestalterisch vorgehe, sodass sein Schaffen eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe erreiche. Um dies zu untersuchen, befasste sich das VG Mainz in der mündlichen Verhandlung ausführlich mit der Arbeitsweise sowie den Fotografien der Kläger. 

Am Ende war das Gericht davon überzeugt, dass die Kläger bei ihrer Arbeit überwiegend künstlerisch tätig seien. Hierfür sprächen die von den Klägern vorgelegten fotografischen Werke selbst sowie die Beschreibung des Vorgehens bei ihrer Tätigkeit. Dass die Fotos anschließend zu Werbezwecken genutzt werden, sei nicht entscheidungserheblich. Ebenso wenig komme es auf die Gewinnerzielungsabsicht der Kläger an, solange sie dabei gleichzeitig ein höheres vergeistigtes Ziel verfolgten.

Oberverwaltungsgericht bestätigt Entscheidung

Die beklagte HWK Rheinhessen akzeptierte das Urteil nicht. Ihr Antrag auf Zulassung der Berufung wurde aber vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 23.05.2022, Az. 6 A 10127/22.OVG) abgelehnt. Es seien keine Fehler im Urteil des VG Mainz zu finden, hieß es. Konkret begründete das OVG seinen Beschluss unter anderem mit folgenden Argumenten:

• Nicht jeder Fotograf ist Handwerker. Zwar habe der Gesetzgeber Fotografen im Verzeichnis der Gewerbe für zulassungsfreies Handwerk erwähnt. Dies führe aber nicht zu der von der HWK vertretenen pauschalen Sichtweise, dass der Gesetzgeber damit die Tätigkeit eines Fotografen grundsätzlich als Handwerk ansehe. Denn es verbiete sich ein zwingender und ausnahmsloser Rückschluss vom Berufsbild des Fotografen auf das Vorliegen einer handwerklichen Tätigkeit.

• Auf den Einsatz von Geräten kommt es nicht an. Der Einsatz von Maschinen, d. h. hier also Fotoapparaten, den die beklagte Handwerkskammer als Vergleich zwischen handwerklicher und industrieller Tätigkeit heranziehe, helfe ebenfalls nicht weiter. Denn es gehe nicht um die Abgrenzung zwischen handwerklicher und industrieller Tätigkeit, sondern um die zwischen handwerklicher und künstlerischer Tätigkeit.

• Auftrag und Werkvertrag schränken Fotograf nicht unbedingt ein. Schließlich meinte die HWK, dass ein Foto nicht als Kunstwerk bezeichnet werden könne, wenn der Fotograf sich bei seiner Herstellung an Auftrag, Weisungen, Zeit- und Budgetvorgaben seiner Kunden orientieren müsse und außerdem noch die Absicht hege, damit einen Gewinn zu machen. Auch dieser Argumentation folgte das OVG nicht. Denn die Kläger hätten den Entstehungsprozess der bei ihnen beauftragten Fotos und ihren erheblichen eigenschöpferischen Anteil daran ausführlich dargelegt. Dabei komme es nicht darauf an, ob den Fotos ein Auftrag zugrunde liege und wie sie die Kunden anschließend verwendeten. 

• Meisterprüfungs-VO kein geeignetes Kriterium. Auch mit ihrem Hinweis auf die Fotografenmeisterverordnung (FotografMstrV) scheiterte die HWK. Sie argumentierte, dass danach auch ein handwerklicher Fotograf seine Kunden beraten und die künstlerische Gestaltung zur Erreichung der Kundenwünsche übernehmen müsse. Dem entgegnete das OVG, dass die ursprüngliche Ausbildung eines Fotografen bereits kein geeignetes Kriterium für die Einordnung seiner konkret ausgeübten Tätigkeit sei. Schließlich beinhalte die fotografische Handwerksausbildung im Schwerpunkt technische, mithin klassisch handwerkliche Aspekte. Auch wenn die Ausbildung künstlerische Elemente aufweise, treffe die Verordnung noch keine Aussage über die notwendigen Abgrenzungskriterien der schöpferischen Eigenleistung und die Frage der Gestaltungshöhe.

Nachdem das OVG die Berufung nicht zugelassen hat ist das Urteil des VG Mainz inzwischen rechtskräftig, nachzulesen hier