Bilderfabrikant
Thorsten Wulff portraitiert den deutschen Fotografen und Regisseur Thomas Hoepker und erinnert sich an Begegnungen mit ihm.
Ist es nützlich, sich zu erinnern? Diese Frage stellt Thomas Hoepker am Beginn des Vorworts seines Buchs „Ansichten. Fotos von 1960 bis 1985“. Er hat es mir am 16.12.1986 signiert. Zehn Tage vorher hatte ich ihn in seinem Büro beim Stern in Hamburg besucht. Eine Stunde Zugfahrt von Lübeck mit Halt in Reinfeld und Bad Oldesloe.
Die Redaktionen von Gruner + Jahr residierten damals noch im liebevoll „Affenfelsen“ genannten Gebäudekomplex an der Alster. Hoepker war Art-Director des Stern, sein Büro gefüllt mit den Utensilien der analogen Magazinproduktion. Ein paar Räume weiter leuchtete monochrom der Bildschirm eines Macintosh, ein Vorbote der anbrechenden digitalen Zeit. „Mach dein Bild. Fragen kannst du später“, riet er mir. Ich fotografierte ihn am Schreibtisch, die Tizio justierend, vor einem Leuchttisch mit Karussel-Diamagazin. Erinnerung, konserviert in der Silberschicht des Schwarzweißfilms.
Die frühen Jahre
Thomas Hoepkers Fotografenkarriere begann 1950, als er vierzehnjährig vom seinem Großvater eine 9 x 12-Plattenkamera geschenkt bekam. Seine Dunkelkammer richtete er in der Küche ein, eine über eine Glühlampe gestülpte rote Fotopapiertüte sorgte für orthochromatische Beleuchtung. Zum Belichten lief er mit vor den Bauch gepressten Kopierrahmen zur Wohnzimmerlampe und zählte dort: 21–22–23, dann ging es zurück ins Dunkel. Das Fotografieren mit der 9 x 12 lief ähnlich aufregend ab: Hoepker lugte unter dem schwarzen Einstelltuch hervor, schätzte die Belichtung nach Tabelle: „hohe Bewölkung, nach 17 Uhr“. Hoepker gewann bei einem Fotowettbewerb eine Akarette-Kleinbildkamera, mit ihr lauerte er den Lehrern hinter der Klassenzimmertür auf.
Diese Überraschungs-Portraits fanden für 50 bis 80 Pfennig reißenden Absatz bei den Mitschülern, in 6 x 9 oder 9 x 13 cm Hochglanz, Chamois oder Büttenrand. So konnte sich Thomas kurz nach dem Abi 1956 eine Leica M-P kaufen. Er studierte Kunstgeschichte, merkte aber auf ausgedehnten Italienreisen, dass ihn die Menschen vor der Kunst wesentlich mehr interessierten als die Meisterwerke dahinter. Beeinflusst von Otto Steinerts Subjektiver Fotografie traf der junge Hoepker bei seiner ersten New-York-Reise mit Fritz Gruber den legendären Edward Steichen. Nach ersten Veröffentlichungen in Willy Fleckhaus‘ bahnbrechendem neuem Magazin „twen“ hatte er seine Berufung gefunden. 1960 heuerte er bei der „Münchner Illustrierten“ als Fotograf an.
Kristall
1962 folgte Hoepker dem Ruf nach Hamburg, zu „Kristall“. Bei dieser Illustrierten aus dem Springer-Verlag traf er den Lübecker Autor Rolf Winter. Das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Winter, der gerne unter dem Pseudonym Dankwart Grube arbeitende spätere GEO-Chefredakteur, betrachtete die Fotografie damals als unliebsame Konkurrenz im Kampf um heiß begehrten Seitenplatz. Seine Arbeit mit Thomas Hoepker belehrte ihn eines Besseren. Der erste gemeinsame Auftrag führt die beiden …
Lesen Sie den kompletten Beitrag in der aktuellen Ausgabe
-
digit! 3-2022
Umfang: 84 Seiten
inkl. MwSt.
Lieferzeit: 2-3 Werktage