Authentische Augenblicke

Für seine vielschichtigen Bilder bewegt sich Niels Gerhardt mit vollem Körpereinsatz und wachem Blick durch Hochzeitsgesellschaften.

Foto von Niels Gerhardt

Lange galt die Hochzeitsfotografie als angestaubt – zu viele Posen, zu wenig Leben. Als dann Anfang der 2010er-Jahre das Konzept der Hochzeitsreportage aus den USA herüberschwappte, schien mit einem Mal alles neu. Inzwischen ist die Aufbruchstimmung verflogen, die Frische einem neuen Status quo gewichen. Vieles gleicht sich, und nicht selten sind die Bilder zu schön, um wahr zu sein. Dem Versprechen der situativen Herangehensweise zum Trotz fehlt es an überraschenden Blickwinkeln oder komischen Momenten des Zwischenmenschlichen; der eigentliche Spirit des Geschehens verpufft.

Dass es auch anders geht, wahrhafter und eigenartigerweise gerade deshalb wundervoller, zeigen die Bilder von Niels Gerhardt. Der Hochzeitsfotograf aus Frankfurt am Main hat das komische Moment zu seinem Markenzeichen gemacht. „Ich finde, man muss auch über sich selbst lachen können, gerade an einem Tag, an dem die Gefühle überborden“, sagt Gerhardt. „Situationskomik und die kleinen Missgeschicke gehören für mich deshalb einfach dazu. Wenn man mich bucht, muss man wissen, dass ich diese Momente mitnehme und viele Bilder bewusst nicht aussortiere.“

Mittendrin statt nur dabei

Abseits ausgetretener Pfade bewegt sich der Fotograf auch in puncto Blickwinkel, Bildkomposition und Lichtsetzung. Viele seiner Aufnahmen entstehen aus unkonventionellen Perspektiven – bodennah, auf Hüfthöhe oder über Kopf. Aber auch aus der Ferne, aufgenommen mit einer 20-mm-Brennweite. Vermeintlich Nebensächliches bildet dann den Rahmen, in dem sich das Wesentliche abspielt. Facettenreich ist auch die Bildanmutung. Der Look reicht von romantischen Available-Light-Bildern über Gegenlicht-Scherenschnitte bis hin zu malerischen überhöhten Momentaufnahmen, die durch Unterbelichtung bei gleichzeitig dezentem Blitzeinsatz entstehen. Hochdynamisch fallen dagegen die meisten Partybilder aus; viele spielen gekonnt mit einer leichten Bewegungsunschärfe , während das Hauptmotiv durch Hinzublitzen eingefroren ist. Würden die Bilder nicht so profes sionell aussehen, könnte man meinen, ein mitfeiernder Gast habe auf den Auslöser gedrückt. Gefragt nach seiner Vorgehensweise, sagt Gerhardt: „Ich bin mittendrin, ich tanze mit. Gleichzeitig bewege ich mich so, dass mich die Feiernden nicht wahrnehmen, oder jedenfalls nicht als Störfaktor.“

Multidisziplinäres Arbeiten

Hochzeitsfotografie sei die Königsklasse der Fotografie,  …

 


Sie wollen den kompletten Beitrag in der aktuellen Ausgabe lesen? Hier können Sie die digit! 2-2024 kaufen!