Ausstellung zum Jubiläum des Bayer Fotoclub
Mit der neuen Fotoausstellung „BILDER WELTEN“, bis 20. November im Bayer Erholungshaus, feiert der Bayer Fotoclub sein 70-jähriges Bestehen.
Das von Bayer/Kultur Jubiläumsprojekt vereint die Arbeiten von 50 Mitgliedern mit ihren unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten und individuellen Bildsprachen, in denen sich die Vielfalt zeitgenössischer Fotografie spiegelt. Künstlerisch begleitet und kürettiert wurde das einjährige Vorhaben vom Kölner Fotokünstler Wolfgang Zurborn.
Öffnungszeiten
29.10., 11-17 Uhr
30.10., 11-17 Uhr
06.11., 14-17 Uhr
13.11., 14-17 Uhr
20.11., 12-18 Uhr (Finissage)
und an Konzertabenden während der Leverkusener Jazztage (nur für Besucher mit Ticket).
Zur Ausstellung erscheint ein 116-seitiger Katalog mit einem von Wolfgang Zubron verfassten Einführungstext. Dieser lautet (entgendert):
„LOSGELÖST von den Zwängen eines professionellen Bildermarktes sind es gerade die Amateurfotografen, die einen bedeutenden gesellschaftlichen Beitrag leisten können, indem sie mit ihren ganz persönlichen und subjektiven Bilderwelten ein komplexes Bild unserer Gegenwart zeichnen. Ein wichtiger Schritt ist es dabei, den eigenen Blick auf die Welt verstehen zu lernen und sich dabei von konventionellen Bildmustern loszulösen. In Zeiten einer medialen Überflutung ist das keineswegs ein einfacher Prozess. Permanent prasseln perfekte visuelle Inszenierungen auf uns ein, so dass es immer schwieriger wird, sich in diesen zurechtzufinden und eine individuelle Wahrnehmung der Lebenswelt zu bewahren. Angesichts der Millionen Fotografien, die täglich auf Instagram veröffentlicht werden, wurde in einigen Feuilletons schon geschrieben, dass die Fotografie nicht mehr den Anspruch aufrechterhalten kann, eine Kunst zu sein. Wenn man wegen unzähliger Eintragungen in Twitter das Ende der Literatur ausrufen würde, wüsste jeder, dass dies ein kompletter Unsinn ist. Alle Ausdrucksformen des Menschen existieren in unserer Zeit massenhaft und es ist eine zentrale Herausforderung an das Individuum, der Beliebigkeit zu entrinnen, ohne in strengen Konditionierungen der Wahrnehmung zu erstarren.
Die Mitglieder des Vereins zur Förderung künstlericher Bildmedien haben sich anlässlich ihres 70-jährigen Jubiläums dieser Aufgabe gestellt und fotografische Positionen erarbeitet, die jede für sich aus ganz persönlicher Motivation entstanden sind. Im visuellen Dialog auf den Wänden der Ausstellung und auf den Doppelseiten im Katalog fügen sich diese individuellen Sichten zu einem vielschichtigen kollektiven Dokument gegenwärtigen Lebens zusammen. Aus diesem Grund gab es für dieses Projekt auch kein einheitliches Thema. Alle Beteiligten konnten ihren eigenen Interessen folgen, inhaltlich die Sujets bearbeiten, die als relevant empfunden wurden und stilistisch die ästhetische Formulierung kreieren, die dem eigenen Empfinden Ausdruck verleiht. In mehreren Besprechungsterminen, bei denen das Bildmaterial der beteiligten Fotografen gesichtet wurde, habe ich es als meine Aufgabe gesehen, die Sensibilität dafür zu schärfen, wie wichtig es ist, für jedes Projekt eine spezifische Form für das Zusammenspiel der Bilder zu entwickeln. So entstanden sowohl serielle Reihungen als auch assoziative Bildkombinationen in unterschiedlichen Größen, strenge Bildtableaus wie auch formsprengende Collagen. Letztlich benötigt jede fotografische Arbeit ihr ganz eigenes Edit, um ein überzeugendes Narrativ entwickeln zu können. Von wesentlicher Bedeutung ist es dabei, auf die Bilder zu hören. Das Konzept der Präsentation von Bildern in Ausstellung und Katalog soll die Bilder zur Wirkung bringen und nicht umgekehrt die Bilder das Konzept illustrieren.
Die Fotografien von Joachim Schultz, Mitglied seit fast der ersten Stunde des Fotoclubs, können dafür als Beispiel dienen. Mit fragmentarischen Sichten auf Alltagswelten hat er eine subjektive Bildwelt geschaffen, die sich einer eindeutigen Interpretation entzieht und damit Raum für Fantasien schafft. An der Schnittstelle zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit bewegen sich die Fotoarbeiten, die im weitesten Sinn als Stillleben gesehen werden können. Mit minimalistischen Mitteln schafft Christiane Harrison unter Einbeziehung von Spiegeln eigenwillige Bildräume, in denen die dargestellten Objekte jenseits ihrer Funktionalität eine sinnliche Präsenz verkörpern. Größte Detailgenauigkeit spielt für Wilko van Oostrum bei seinen Stillleben eine große Rolle und somit fotografiert er sein Arrangement aus Blumen, Gemüse und Alltagsgegenständen mit einer Großbildkamera.
In der Serie „Mangelware“ von Hardy Schwerger werden die Gegenstände zu Darstellern eines absurden Theaters, in dem mit subtiler Ironie Auswirkungen der Corona-Pandemie ins Bild gerückt werden. Auch die Arbeiten von Uli Pohl und Uwe Flöck stellen kritische Fragen über das Verhältnis von Mensch und Umwelt. Der Titel „Schmeckt uns das“ macht klar, dass puristisch fotografierte allgegenwärtige Plastikverpackungen als Problem gesehen werden und die Verdichtung von Bildern des alltäglichen Mülls zu einer monumentalen Bildmontage macht die scheinbare Unentrinnbarkeit aus den Exzessen einer Konsumgesellschaft deutlich.
Zeichen der Alltagskultur finden sich auch in den Fotografien von Erich Schreiner. Er fängt diese mit sehr fragmentarischen Sichten auf Hausfassaden ein und kombiniert sie zu Bildkonstellationen, die dem Dargestellten die eindeutige Botschaft entziehen. Die Bild-Tableaus von Anja Thome und Dirk Widling tendieren ebenfalls hin zu einer Abstraktion und somit stehen die Wirkung von Farben, Formen und Materialien im Vordergrund. Mit ihrer kräftigen Farbigkeit entrückt Lothar Degen seine Bilder
von gefrorenen, gewachsten und versteinerten Pflanzen, Blättern und Zweigen ihrer Natürlichkeit und gibt ihnen in ihrer artifiziellen Erscheinung ein Eigenleben auf der Schnittstelle von Realität und Imagination.
Der Mensch im Spannungsfeld von Authentizität und Inszenierung ist ein weiterer Themenschwerpunkt der Ausstellung. Bei den Fotocollagen von Trudi Ryff-Malucha können sich die Betrachter kaum dem intensiven Blick der portraitierten Menschen entziehen. Gesichtsausdrücke der gleichen Person in verschiedenen Momenten fügen sich in den montierten Ausschnitten des Antlitzes zu einem vielschichtigen Bild der Person zusammen. Auch für Ninette Niemeyer ist es wichtig, keine klischeebehaftete eindeutige Sicht auf ihre transsexuelle Protagonistin zu werfen. Authentizität findet sie gerade dort, wo die Person die Inszenierung der eigenen Identität perfektioniert. In der Ausstellungsinstallation werden Alltäglichkeit und Idealisierung komplex miteinander verknüpft.
In einer Zwischenwelt scheinen sich die Schaufensterpuppen von Barbara Wünsche zu bewegen. Mit extremer Unschärfe und monochromer Farbigkeit wirken sie herausgerissen aus ihrer Funktionalität und entwickeln ein mysteriöses Eigenleben. Der Anmut des Körpers beim Ballett ist für Karin Wiedenhöfer die Triebfeder für ihre fotografischen Studien von Tänzerinnen in ihren unterschiedlichen Choreografien. Die Bühne für die fotografische Inszenierung „Girls just wanna have fun“ von Marta Zimon als Ausdruck purer Lebensfreude ist dagegen wieder in der realen Welt einer Tiefgarage angesiedelt.
Das urbane Leben spielt eine wichtige Rolle in einigen der vorgestellten Bilderwelten. In der unmittelbaren Begegnung mit Menschen in der Straße eindringliche Dokumente des Alltagslebens schaffen zu können, ist für Steffi Sonntag das besondere Faszinosum des Mediums Fotografie. Ohne idealisierende Beschönigung aber immer mit Empathie widmet sie sich einem Theater des realen Lebens. In der Schichtung von schillernden Werbewelten und der Tristesse von spärlich belebten Stadträumen werden die Fotografien des Einkaufszentrum „City C“ in Leverkusen von Olaf Matthey zu Sinnbildern unserer Konsumgesellschaft.
Hochformatige, fragmentarische Sichten auf das Urbane von Jürgen Neumann lassen die mit Zeichen und Bildern überfüllte Stadt wie einen faszinierenden und zugleich vielfältig verflochtenen Organismus erscheinen. In eine Bonbonwelt entführt uns Uwe Pöschke mit seinen farbenfrohen Fotografien von Kirmeswelten. Mit einer sehr ungewöhnlichen Verwendung von Schärfe und Unschärfe bekommen die Menschen in den Fahrgeschäften eine ganz eigene Präsenz. Einen noch stärkeren künstlerischen Eingriff in städtische Szenerien praktiziert Nina Jansen mit ihren Lichtmalereien aus der Serie „Nachtschicht“. Sie wirken wie leuchten-
de Skulpturen, die im Dialog mit dem architektonischen Umfeld ihren besonderen Reiz erzielen.
Die Architektur selbst zwischen Inszenierung, Geschichte, Abriss und Wiederaufbau stellt das Thema von einer weiteren Gruppe von Arbeiten dar. Das Mercedes Benz Museum wird in den High Key Fotografien von Uwe Wölki mit ihrer strahlenden Helligkeit und absoluten Cleanheit zu einem Ort, der jeglichem Irdischen entrückt scheint, während die dokumentarisch klassischen S/W-Fotografien von Rainer Meding aus Venedig Geschichte spürbar machen. Die von Rekha Pinto in minimalistischer Form
ins Bild gesetzten Hauswände werden zu Bühnen, in denen alltägliche Objekte subtil in Szene gesetzt werden.
Völlig entgegengesetzt zu dieser kontemplativen Ruhe scheint man in den Fotografien von Norbert Hildebrand den Baustellenlärm von Abriss und Aufbau zu hören. In den vielschichtigen Kompositionen der Bilder wirkt das Chaos der dargestellten Szenerien wie eine Chance für Erneuerung, während der Rost in Volker Hadas Fotografien von Industrieanlagen eher als Symbol für Vergänglichkeit verstanden werden kann. Wie ein Blick in eine verflossene Zeit wirken die Innenraumaufnahmen aus einem verlassenen Kloster von Klaus Küpper. Es sind nur noch die Spuren von abgehängten Kreuzen und Bildern auf den leeren Wänden zu sehen.
Ähnlich puristisch, aber wesentlich diesseitiger ist der Blick von Bernd Franzen auf „Unerkannte Örtchen“. Täglich benutzen wir Toiletten, aber in streng formalen Kompositionen bekommen sie eine ganz eigene Aura. Bei Wolfgang Heeps Fotografien lösen sich die Räume eines Jazzclubs in fast abstrakte Konstellationen von Farbflächen auf. Es geht nicht um eine konkrete Verortung, sondern um die Imagination von Musik. Mit dem Klavierspielen sind für Ellen Dhein intensive Erinnerungen verknüpft. Eine Bildsequenz aus Detailansichten auf Tasten, Pedale, Hände, Noten und einer gerahmten Portraitfotografie auf dem Klavier verleiht diesen „Memories“ ihren Ausdruck.
Die Eindrücke einer gemeinsamen Reise mit der Mutter in die Masuren, dem Ort ihrer Kindheit, fasst Michael Irmscher in einer essayistischen Bilderzählung zusammen. Situative Momente aus dem Alltagsleben werden dabei kombiniert mit fragmentarischen Sichten auf kulturelle und religiöse Zeichen und Symbole. Im Rahmen eines Cap Anamur Hilfsprojektes war Marc Pützstück
in Uganda und hat dort im Stil einer sozialdokumentarischen S/W-Fotografie Portraits von Menschen in ihrem
Lebensraum geschaffen.
In sehr unterschiedlicher Weise reflektieren Arbeiten der Ausstellung das Bild der Natur. Tommy Pützstück hat die vielfältige Erscheinung verschiedenster Wolkenhimmel fotografiert und sie zu einem 20-teiligen Tableau zusammengefügt. In der visuellen Verdichtung entsteht dabei ein Bildmuster, das die Abbildungen von einem falschen Anspruch auf Natürlichkeit in der Darstellung befreit.
„Something Artificial“ ist die Serie von Rolf Uthemann betitelt, in der er Eingriffe des Menschen in die Natur anhand von deplatziert wirkenden Objekten in der Landschaft sichtbar macht. Auch die Stillleben von Ursula Neugebauer thematisieren das Verhältnis von Mensch und Natur. Bilder von verwelkenden Pflanzen werden dabei unterschiedlichen Modellen von Behausungen gegenübergestellt. In einer seriellen Reihung fügt Susanne Paffrath grafisch streng gestaltete S/W-Fotografien von Wegen im Stadtraum und an einem Strand so konsequent zusammen, dass sie wie „Lebenslinien“ gesehen werden können. „Freude am Leben“ lautet der Schriftzug auf dem Kranichhaus in Zingst, den Willy Borgfeldt in seinen Fotografien festgehalten hat und überlässt es den Betrachtern, ob sie diese in den meist menschenleeren Kulissen des touristischen Ortes am Meer entde-
cken können.
Die Welt der Pflanzen zwischen Züchtung, Wildwuchs und Meditation ist das zentrale Motiv der nächsten Themengruppe. Mit präzisem subjektivem Blick auf ein Gewächshaus lässt Renate Gurrey die Spuren der Zeit sichtbar werden und verleiht der Nutzbarmachung der Natur durch den Menschen einen Ausdruck. Majestätisch wirken dagegen die freistehenden Bäume, deren Formenvielfalt Sylvia Döring mit S/W-Fotografien in feinsten Grautönen zur Geltung bringt. Weniger straight fotografiert sind
dagegen die Buschwindröschen in den Aufnahmen von Holger Dörnhoff. Eingetaucht in theatralisch wirkendes Licht und in unscharfe Farbflächen erscheinen die Pflanzen jeglicher Natürlichkeit entrückt. „Meditative Momente“ sind es dagegen, die Peter Karad in seinen subtilen Naturstudien einfängt.
Die geduldige Beobachtung spielt auch in der Tierfotografie eine wichtige Rolle. Reinhold Rieder hat lange das Verhalten von Wildvögeln in Aktion studiert und seine Untersuchungen in Bildsequenzen zusammengefasst. In Bildpaaren kombiniert Martin Franke dagegen Nahaufnahmen von Vögeln mit weiteren Sichten in deren Lebensraum. Demgegenüber bekommen wir mit den Makroaufnahmen von Karl-Josef Gramann einen Einblick in eine Welt, die uns sonst verschlossen bliebe, in den Schlupf der Libellen. Ein solch dokumentierender Ansatz der Fotografie liegt aber nicht im Interesse von Silvia Schiemann. Bilder von unzähligen Spatzen fügt sie zu einer solch dichten Collage zusammen, dass man aus den Kehlen ein ohrenbetäubendes Konzert zu hören scheint.
Das spannungsvolle Verhältnis von Mensch, Tier und Natur wird in dem letzten Kapitel dieses Ausstellungsprojektes behandelt. Die allgegenwärtige Kontrolle des Menschen über die Natur drückt sich in der Serie „Naturkataster“ von Heribert Hölzer mit Bildern von Nummerierungen von Baumstämmen, Tieren, Fleisch und Eiern aus. Mit Fischfang befassen sich zwei fotografische Serien in sehr unterschiedlicher Weise. Während bei Wilfried Kaschube Fische sowohl für Buckelwale, Schwarzbären und Eisvögel wie für Menschen als Beute dienen, ist es in der Serie „Wilder Fisch“ von Roman Fischer der Mensch, der die einsame Auseinandersetzung mit dem Tier führt. Die Spuren davon sind in den Gesichtszügen des Fischers zu sehen und dabei werden Erinnerungen an Hemingways Roman „Der alte Mann und das Meer“ geweckt.
Bei Markus Jung sind dagegen Hände die Hauptdarsteller in seinen Fotografien über körperliche Arbeit in einer Glasmanufaktur.
„Altitude“ betitelt Marion Draude ihre vielschichtige Erzählung über eine Bergwanderung. In der Kombination von S/W- und Farbfotografien und mit unterschiedlichen Bildformaten kreiert sie eine Ausstellungsinstallation, die das Überwältigende der Bergwelt in Szene setzt und zugleich die Menschen im Ringen mit der Natur zeigt. Schließlich nimmt uns Christiane Bohaboj mit auf eine Expeditionsfahrt, aber wohin die Reise auf dem Schiff geht und was zu erkunden ist, erfahren wir in den Bildern nicht. Letztlich ist es gerade diese Unbestimmtheit, die den besonderen Reiz der Serie ausmacht und die Fantasie der Betrachter beflügelt. Als einziger Mensch in der Bildstrecke richtet eine Person ihr Handy auf die offene See. Welch ein Symbol für die Erkundung neuer Bilderwelten.“
Dere Eintritt zur Ausstellung ist frei. Der Katalog kann zum Preis von 10 € vor Ort erworben werden.