Nach dem Bild ist vor VR

Michael Marczok stellt VR-Filme und -Stills vor, die mit Canons RF 5.2mm F2.8 L Dual Fisheye realisiert wurden.

Screenshot Canon EOS VR Utility

Viele Interessenten kauften das Objektiv offenbar, ohne genau zu wissen, was sie damit vorhatten. Denn nicht wenige Exemplare tauchten schnell auf einschlägigen Secondhand-Plattformen auf. Zur Erinnerung: Das RF 5.2mm F2.8 L Dual Fisheye von Canon erzeugt auf dem Kamerasensor zwei kreisrunde Fisheye-Bilder, die von den beiden Objektiven im normalen Augenabstand aufgenommen wurden. Dabei ist der Bildwinkel bei der Aufnahme 190 °. Um diese Bilder ohne die für Fish-eye-Objektive üblichen Verzeichnungen und rechteckig zu präsentieren, müssen sie einer sogenannten äquirektangulären Projektion unterzogen werden. Und wenn diese gerade gezogenen Bilder dann wieder dem menschlichen Auge im richtigen Abstand präsentiert werden, entsteht ein natürlicher, stereoskopischer Tiefeneindruck, der mächtig eindrucksvoll ist. Zu einem immersiven virtuellen Realitätserlebnis wird das Ganze dadurch, dass man sich – vorausgesetzt man hat ein entsprechendes Betrachtungsgerät – im Bild oder im Video innerhalb von 180 ° von links nach rechts und von oben nach unten umschauen kann. Die 10 °-Bildwinkel gehen bei der Projektion in das Rechteck mit geraden Linien, ohne Verzeichnungen, verloren. Diese 180 ° sind übrigens auch in etwa der Winkel, den man mit dem Blick abdeckt, wenn man den Kopf, aber nicht den Körper, dreht.

Bekannt und beherrschbar

So weit, so gut. Rein technisch ist eine Film- oder Fotoaufnahme mit dem VR-Objektiv kein großes Problem. Auch die praktischen Herausforderungen bei der Verwendung eines Objektivs mit einem Bildwinkel von über 180 ° sind bekannt und beherrschbar: So sollte die Kamera so positioniert werden, dass weder Füße noch Stative oder andere Hilfsmittel im Bild erscheinen. Auch ist bei der Aufnahmehöhe meist die Augenhöhe die beste Wahl, um den Betrachter nicht zu verwirren – es sei denn, es ist gestalterisch gewünscht. Zum Beispiel ist es logischer, knapp über einer Wasserfläche zu filmen als knapp über festem Boden. Bei der Betrachtung der ersten Aufnahme fühlt man sich im Wasser stehend, bei der zweiten im Boden versunken. Mit solchen Feinheiten, auch zum Thema Bewegung und dem Thema Storytelling im VR-Film, befasst sich das YouTube-Video „Canon: Cinematic Storytelling in 180 ° VR“ 3. Wie vieles rund um das Thema, ist auch dieses Video in englischer Sprache und selbst mit dem Canon „VR-Objektiv“ aufgenommen worden.

Der nächste Schritt auf dem Weg zum 180°-VR-Content, die äquirektanguläre Projektion, ist mit den von Canon mitgelieferten Software-Komponenten leicht zu gehen. Das EOS VR Utility leistet fast nichts anderes als diese Umrechnung des Fisheye-Bildes. Das Ergebnis wird auch als „Plattkarte“ bezeichnet, was ein Begriff aus der mathematischen Kartografie ist und eine sogenannte abstands- bzw. linientreue Zylinderprojektion ist.

Über die Projektion hinaus kann man im EOS VR Utility nur noch ein paar manuelle horizontale Korrekturen vornehmen, die Filmdauer beschneiden und eine Look Up Table (LUT) hinzufügen. Diese LUT passt das Filmmaterial an den BT.709-Standard für hochauflösendes Fernsehen an.

Mit dem ebenfalls mitgelieferten Plug-in für Adobe Premiere Pro geschieht die Projektion automatisch beim Import des Filmmaterials in ein Projekt. Einfacher geht es nicht.

Wer sein Material aber lieber mit anderen Tools ver- und bearbeiten möchte, muss entweder schon sehr tief in der Materie stecken oder sehr viel Zeit für eine Einarbeitung investieren. Zwei Programme werden in diesem Zusammenhang immer wieder genannt. Einmal das mächtige und trotzdem freie …

 


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