Visueller Protest
Seit acht Jahren adressiert der Protestonaut-Kalender gesellschaftliche Großthemen mit schlagkräftigen Fotos und Kurztexten.
An einem windigen Sommertag steht Sophia Hauk auf dem Maschinenhaus einer Windkraftanlage der Naturstrom AG in Unterfranken. Die Fotografin schaut nicht auf die Landschaft 140 Meter unter ihr, sondern vielmehr durch den Sucher ihrer Canon EOS 5D Mark III. Darin zu sehen: ein Astronaut, der den Arm zum Gruß hebt. Das Bild, das in diesem Augenblick entsteht, hat etwas Ikonisches. Hinter dem salutierenden Mann im Raumanzug recken sich zwei Rotorblätter in den blauweißen Himmel wie ein riesiges Victory-Zeichen. Wolken spiegeln sich in seinem vergoldeten Visier, und im Hintergrund sind weitere Windräder auszumachen.
„Dieses Shooting hatte es in sich“, erinnert sich Sophia Hauk. „Ich war zusammen mit dem Naturstrom-Mitarbeiter mit einem kleinen Aufzug den Turm hochgefahren und anschließend an einer Leiter weitergeklettert, hinaus auf das Maschinenhaus, und der Wind blies an diesem Tag besonders stark. Ich bin nicht so richtig schwindelfrei, aber erstaunlicherweise wirkte die Szenerie gar nicht so bedrohlich – was wohl daran lag, dass ich sie durch den Sucher gesehen habe“, erzählt sie. Ein flaues Gefühl sei das dennoch gewesen, trotz der zweifachen Gurtsicherung. Ihr Mut wird belohnt – und am Ende schafft es das Bild aufs Cover des Protestonaut-Kalenders 2022, der sich mit dem Thema Energiewende beschäftigt.
„Protestonaut“, von lat. protestari – öffentlich bezeugen – und griech. nautēs – Matrose: So haben Sophia Hauk und ihr Mann Alexander die Kunstfigur getauft, die auf jedem einzelnen Kalenderblatt auftaucht. Die Idee hinter dem Kostüm, das die beiden eigens in den USA haben nähen lassen und in dem aus logistischen Gründen meist Alexander Hauk steckt, beschreibt Sophia Hauk wie folgt: „Astronauten schweben buchstäblich über den Problemen des blauen Planeten und haben deshalb einen ganz anderen Blick auf ebendiese – und im Kostüm könnte jeder stecken.“ Das entspricht dem Selbstverständnis der Kalendermacher: Ihnen gehe es darum, „gesellschaftliche Herausforderungen zu thematisieren, zu informieren und zum Nachdenken anzuregen“. Allerdings, und das ist Ihnen wichtig, „ohne erhobenen Zeigefinger“.
Neben der gesellschaftlich-politischen Motivation gibt es aber noch eine andere: Die Hauks wollen, jenseits ihres Broterwerbs, gemeinsam kreativ werden und etwas auf die Beine stellen. Sophia Hauk arbeitet hauptberuflich als Werbefotografin für Unternehmen und Agenturen mit dem Schwerpunkt auf Kinderfotografie. Alexander Hauk ist Sprecher eines Unternehmens, das sich auf Produktlösungen für das „Internet der Dinge“ (IOT) spezialisiert hat. Der Protestonaut-Kalender ist der Wunsch, gesellschaftliche Themen in prägnant inszenierten Bildern und …
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digit! 2-2022
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