Corona und die Fotobranche

Der Lockdown trifft Freiberufler und Kreative besonders hart. Hier kommt unser Überblick über Info-Sites, Hilfsangebote, Solidaritäts- sowie Kreativitätsoffensiven – und einige Statements von Fotografen, mit denen wir in der Krise gesprochen haben.

  • Krisenstatements von Fotografen
  • Informationsangebote für Fotografen zu Corona
  • (Selbst-)Hilfe und Solidaritätsinitiativen
  • Austausch-Plattformen
  • Unternehmens-Offensiven

Statements von Fotografen und Bilddienstleistern

Jan Wischermann (Düsseldorf), Bildbearbeitungsexperte und geschäftsführender Gesellschafter beim Postproduktions- und Fotografiedienstleister pretty on point.

„Wir sind schon lange dezentral organisiert, daher stellt uns die aktuelle Situation in dieser Hinsicht vor keine Herausforderung. Die aktuellen Produktionen laufen weiter, andererseits werden jetzt z.B. größere Shootings abgesagt. Bestimmte Jobs werden sich also in die Zukunft verschieben. Letztendlich glaube ich, dass diese Krise auch die große Chance birgt, umzudenken, Prozesse zu verändern, Unternehmen noch mehr zu digitalisieren, Konsum- und Lebensperspektiven zu hinterfragen und mehr Wert auf soziale Kontakte zu legen. Das wird den Weg frei machen für mehr Kreativität.“

janwischermann.de | prettyonpoint.de


Christie Goodwill (London), Musikfotografin

„Da wir alle schon seit einiger Zeit gezwungen sind, die Pause-Taste zu drücken, hielt ich es für interessant, meinen gesamten Katalog nochmal zu durchforsten. Wie Sie sich vorstellen können, hat sich dies mit über 150.000 Fotos in meinen Musikfotografiearchiven als eine ziemliche Herausforderung erwiesen. In diesen beispiellosen Zeiten kann ich möglicherweise keine neuen Musikfotos teilen. Deshalb habe ich beschlossen, ein paar Bilder aus den letzten fünfzehn Jahren zu teilen. Ich kann es kaum erwarten, mir neue Erinnerungen mit euch allen zu schaffen, wenn wir auf der anderen Seite auftauchen.“


Claudio Laureti (Rom), Fotoreporter und -lehrer (siehe auch seine Portraitserie in der aktuellen digit! über systemrelevante Berufe in der Krise)

„Viele meiner Aufträge im Bereich Mode- und Auftragsfotografie sind wegen der Coronakrise weggebrochen oder liegen auf Eis. Als Fotograf kann ich mich mit Berechtigungsscheinen zu konkreten Projekten aber relativ frei bewegen und beispielsweise Reportagen umsetzen. Zudem betreute ich als Lehrer für Fotografie die Studierenden online – mein Gehalt beziehe ich also weiter. Im Moment komme ich noch zurecht und werde die monatliche Unterstützung von ca. 600 bis 800 Euro, die es in Italien für Freiberufler während der Krise gibt, wohl nicht in Anspruch nehmen müssen. Wie das in zwei Monaten aussieht, kann ich jetzt noch nicht sagen.“

www.claudiolaureti.com | Story in digit! 3-2020


Igora Panitz (Stuttgart), Autofotograf (u. a. Audi, BMW, Mercedes Benz, Porsche) und Betreiber des Traffic (Miet-)Studios.

„Der Markt ruht momentan komplett, es gibt keinerlei Shootings. Natürlich könnte ich mir jetzt Sorgen machen angesichts der Krise und meines Kontostands, der wegen eines relativ großen Kostenapparats schwindet. Aber offen gesagt bemühe ich mich, so wenig wie möglich nach vorne oder zurück zu schauen. Ich lebe nach besten Kräften im Augenblick. Bei Bedarf findet man immer Gründe, sich Sorgen zu machen; nur Sinn macht das eben nicht. Vor dem Hintergrund der Corona-Krise verblassen die Ängste, die man sich davor hätte machen können – ein weiterer Beweis, dass ein sorgenvoller Blick in die Zukunft völlig sinnlos ist. Ich nehme die Dinge, wie sie kommen und mache das Beste draus – jetzt und hier. Es ist wie mit dem Wetter: Es zu beklagen, ändert faktisch nichts – außer in der Person, die hadert. Gleichzeitig denke ich, dass die Krise Freiräume schafft, um sich neu zu sortieren. Ich werde mich in dieser Zeit mehr um meine freie Arbeiten kümmern.“

www.igorpanitz.com  | www.traffic-studio.com


Michael André Ankermüller (Berlin), Reise- und Lifestyle-Blogger und Kopf hinter „Blog.Bohème“

„Es ist schwierig, eine Antwort auf die Frage zu geben, was die Krise mittelfristig für mich bedeutet. An Reisen ist im Moment natürlich nicht zu denken, und das dürfte wohl noch eine Zeitlang so bleiben. Ich will diese Zwangspause kreativ nutzen, auch um die Art wie wir alle – und ich im speziellen – reisen zu hinterfragen. Andererseits bin ich – auch durch Gespräche mit Geschäftsführern großer Reiseunternehmen – überzeugt, dass der Tourismus nach der Corona-Krise buchstäblich explodieren wird, einfach weil es einen riesigen Nachholbedarf geben wird.“

blogboheme.de


Lyonel Stief (Wiesbaden), Beautyfotograf und Foto-Coach

„Alle meine Shootings sind gerade abgesagt, auch meine Einzel- und Gruppen-Coachings und Auftritte auf Fotomessen entfallen. Natürlich trifft das mein Business-Modell. Zum Glück habe ich aber noch mein zweites Standbein: Meine Videokurse verkaufen sich auch in der Corona-Krise weiter. Darüber hinaus nutze ich den Leerlauf, um an meinem Insta-Stories zu arbeiten, und ich setze während der Kontaktsperre vermehrt auf Selbstporträts. Und dann ist da noch mein großes Requisitenlager, das schon lange darauf wartet, endlich mal auf Vordermann gebracht zu werden.“

www.lyonel.de


Informationsangebote für Fotografen zu Corona

Der BFF hält auf seiner Site ausführliche Informationen zu finanziellen Hilfen

für freiberufliche Fotografen bereit. Im BFF News-Ticker Corona-Hilfe werden die Infos bundesländerspezifisch regelmäßig aktualisiert, unter anderen dazu, unter welchen Voraussetzungen eine Wiederaufnahme der Arbeit in der Öffentlichkeit möglich ist.

Lesenswert sind auch die umfassenden Beiträge von BFF-Justiziarin Dorothe Lanc, die unter anderem Informationen zu Entschädigungsansprüchen bei Quarantäne, Kurzarbeitergeld, den Umgang mit abgesagten Fotoproduktion, finanziellen Entlastungen durch die Künstlersozialversicherung reduzierte Steuervorauszahlungen und Grundsicherung für Selbständige (ALG II) umfassen. Wer nicht soviel lesen will, findet auf der Site auch Link zu einem Erklärvideo).
Darüber hinaus hält die Justiziarin Tipps bereit, wie Selbstständige laufende Kosten reduzieren und auch aus dem Lockdown heraus die eigene Liquidität erhöhen können. Stichworte: Archivmaterial aktivieren, Lizenzen prüfen, Versicherungsbeiträge aussetzen oder reduzieren.

bff.de/news/


Der Berufsverband Freelens e. V. bietet ebenfalls einen Newsletter-Service rund um das Corona-Virus an – allerdings nur für seine Mitglieder.

freelens.com


Eine weitere Informationsquelle hat das dieser Tage omnipräsente Thema bereits im Namen:

Auf www.corona.photo sammelt Betreiber Paul Merki – seit 30 Jahren auf verschiedenen Positionen in der Schweizer Fotolandschaft tätig – „Corona-News für Fotografen und Fotobegeisterte mit Links, Tipps, Anleitungen, Webinaren und Finanzhilfe-Info für Selbständigerwerbende“.


(Selbst-)Hilfe und Solidaritätsinitiativen

Wie praktisch alle Kulturstätten, so hat auch C/O Berlin seine Tore geschlossen – und bittet die (zuhause bleibenden) Besucher deshalb um Spenden in Höhe einer Eintrittskarte. „Der Shutdown kostet viel Kraft und Geld“ schreibt das Berliner Ausstellungshaus für Fotografie C/O Berlin – und ruft unter dem Slogan „We Miss You, We Need You!“ zu Spenden auf, damit „wir unser Haus hoffentlich bald wieder in der gewohnten Vielfalt für Euch öffnen können“.

https://www.co-berlin.org


Einen anderen Weg geht Bernhard Knaus Fine Art. Um angesichts des Shutdowns „den finanziellen Druck insbesondere der jüngeren Künstler schnell abzumildern“, hat die Galerie BKFA gemeinsam mit 15 Künstlerinnen der Galerie drei exklusive Mappeneditionen herausgegeben. Einmaliger Sonderpreis der unter dem Titel Silver Lining aufgelegten Editionen: 1600 Euro für eine, 2.900 Euro für zwei und 4.100 Euro für alle drei Mappen.

bernhardknaus-art.de


Mitte März hatte die Fotokunstzeitschrift Der Greif gemeinsam mit dem Picter Blog die Foto-Gemeinschaft aufgerufen, Bilder einzureichen, die die „Erfahrungen der Quarantäne rund um die Welt“ und die „globale Solidarität und das Gemeinschaftsgefühl in dieser Krise fördern und zeigen“. Das von einer internationalen Jury kuratierte „Best of“ der Einreichungen soll auf Der Greif, Vogue.it, dem Picter Blog sowie im Portfolio-Teil der April-Ausgabe der Vogue Italia gezeigt werden.

dergreif-online.de


Dass Fotografen in der Krise auch selbst zu Hilfsakteuren werden können, das hat das italienische Foto-Magazin Perimetro eindrucksvoll vorgemacht. Unter dem Claim „100 Fotografen für Bergamo“ hatte die Zeitschrift bekannte Fotografen, darunter Oliviero Toscani und Paolo Pellegrin, gebeten, mit ihren Arbeiten das Papst Johannes XXIII Krankenhaus in Bergamo zu unterstützen – Bergamo ist eines der Hotspots der Corona-Pandemie. Gesamterlös des Verkaufs der jeweils 100 Euro kostenden Prints: 727.600 Euro.

perimetro.eu/100fotografiperbergamo


Austausch-Plattformen

Informationen, Erfahrungen und Tipps austauschen, sich gegenseitig Mut zu sprechen: In Krisen wie dieser kann das betriebswirtschaftlich wie psychosozial enorm hilfreich sein. Dieser Idee folgend hat 1854 Media, der Verlag des traditionsreichen British Journal of Photography, auf Facebook die Online-Community The Photographers Network ins Leben gerufen, in der Fotografen Fragen stellen, Lösungen diskutieren, Ressourcen austauschen und Tipps und Updates zum aktuellen Arbeitsklima austauschen können – von Selbstisolation, und Reiseverboten bis zu Budgetkürzungen und Auswirkungen auf die Karriere. Zu Redaktionsschluss zählte die Facebook-Gruppe knapp 3400 Mitglieder.

1854.media


Den Austausch in Form eines visuellen Dialogs zwischen je zwei Fotografen will hingegen stayathome.photography befördern. Wir stellen die von zwei Berliner FotografInnen gelaunchte, auf viel Zuspruch treffende Site im Webscout unserer aktuellen Print-Ausgabe ausführlich vor.

stayathome.photographyStory in digit! 3-2020


Magnum Quarantine Talks

Den mündlichen Austausch zwischen Fotografen hat hingegen die Fotografen-Agentur Magnum mit ihren Quarantine Talks im Visier. Aus dem Pool der Magnum Fotografen (bislang unter anderem Jonas Bendiksen, Cristina de Middel und Martin Parr) werden immer zwei einander zugelost, die dann in einem nicht editierten, ca. halbstündigen Videochat über ihre Situation, das allgemeinen Befinden während des Shutdowns und die daraus resultierenden Herausforderungen miteinander sprechen: ein kurzweiliges Vergnügen!

https://www.magnumphotos.com/theme/quarantine-conversations/


Unternehmens-Offensiven

Skylum

Die Softwarschmiede Skylum, die unter anderem die Bildbearbeitungs-Software Luminar entwickelt und vertreibt, wird von jedem Software-Verkauf im April fünf US-Dollar spenden, um Covid-19 zu bekämpfen und den Opfern der Coronavirus-Pandemie zu helfen. Das Geld geht an den Covid-19-Response Fund der Weltgesundheitsorganisation.

skylum.com


Pirelli

Er ist kein Klassiker, eine Institution. Für „The cal“, wie der auch wegen seiner Freizügigkeit legendäre Foto-Kalender genannt wird, haben Fotogrößen wie Annie Leibovitz, Karl Lagerfeld, Peter Lindbergh, Herb Ritts oder Mario Testino gearbeitet. 2021 aber wird es keinen Pirelli-Kalender geben. Der Reifenhersteller, der den Kalender nur „an ausgewählte Freunde des Unternehmens“ verschenkt, will stattdessen 100.000 Euro für den Kampf gegen das Coronavirus sowie dessen Erforschung spenden.

pirellicalendar.pirelli.com


Olympus

Der Kamerahersteller hat angesichts des Lockdowns die Tutorial- und Entertainment-Seite Home with Olympus auf den Weg gebracht. Die Subsite bietet kostenlose und kostenpflichtige Tutorials, Podcasts, Foto- sowie Kamera-Trainings und Webinare für alle, die daheim bleiben müssen. Zu den inhaltlichen Schwerpunkten gehört das Fotografieren zu Hause und die Neu-Entdeckung von Details in der Wohnumgebung.

my.olympus-consumer.com/home-with-olympus-de


Nikon

Auch Nikon propagiert in der Krise das „Fotografieren zuhause“. Unter dem Hashtag #CreateYourLight Challenge hat das Unternehmen eine Kampagne gestartet. Sie soll Fotografen aller Genres und Leistungsniveaus, in einer Zeit, die es für uns so noch nie gab, ihre Kameras in die Hand zu nehmen und von zu Hause aus zu zeigen, wie sie die Welt momentan sehen und welche Geschichten sie erzählen möchten. Alle zwei Wochen gibt Nikon ein neues Fotothema vor, das dann zu Hause mit beliebigem Equipment umgesetzt werden kann. Zur Unterstützung gibt es Tipps, Tricks und Inspirationen von Nikon-Foto-Profis und Experten, wie zum Beispiel Stephan Wiesner, Krolop & Gerst Photography oder Lyonel Stief. Am Ende der zwei Wochen wird Nikon die kreativsten und spannendsten Bilder auf seinen Kanälen präsentieren, bevor das nächste Thema für zu Hause angekündigt wird. Darüber hinaus bietet die Nikon School derzeit einige kostenlose Online-Tutorials an.

mynikon.de/inspiration/video-galerie


Darüber hinaus legen wir Ihnen natürlich den Blick in unser aktuelles Heft nahe, in dem wir die Krise und was sie für Kreative bedeutet, auf verschiedenen Ebenen thematisieren. Zudem finden die Leser darin eine Übersicht (Link funktioniet ab 24.4., 6.30 Uhr) über aktuelle Onlineseminare, Videotutorials und Webinare sowie Präsenzveranstaltungen, die hoffentlich bald wieder besucht werden können.