Latin Lover

Als Fabio Borquez vor 19 Jahren aus Argentinien nach Deutschland kam, hatte er wenig mehr im Gepäck als eine alte Nikon. Heute ist er bestens im hiesigen Fotokunst-Geschäft etabliert.

Ausschlaggebend für den Erfolg sind seine suggestiven Sujets, die epische Bildsprache und die Kunst der Selbstvermarktung. Ein Besuch in Fabio Borquez’ Jugend- stil-Villa in Mönchengladbach, die zugleich als Wohnhaus, Studio und Galerie fungiert.

Von Peter Schuffelen

Der Künstler

Eine im Stil der 1920er-Jahre gestylte junge Frau sitzt auf den Stufen eines Treppenhauses in einem „Art Nouveau“-Palast in Buenos Aires. Fabio Borquez hat sie so durch die geschwungenen Metallgitter des Geländers fotografiert, dass ihr linkes Auge von einem der Stäbe verdeckt wird. Ihr Gesichtsausdruck schwebt zwischen Selbstbewusstsein und Melancholie, im Geflecht des Schmiedeeisens erinnert sie an eine traurige Raubkatze, die sich ihres Gefangenseins bewusst ist.

Wie die meisten seiner Bilder hat Borquez dieses Motiv in Schwarzweiß ausgearbeitet, die Kontraste sind hart, das Antlitz sanft. Doch so inszeniert, so wohlkomponiert diese Aufnahme auch wirkt: Sie ist spontan entstanden, während einer Shooting-Pause, in der sich das Model auf der Treppe ausruhte. Er rief den Namen des Models, sie blickte ihn an, dann drückte er ab. Ein Schnappschuss, wenn man so will. Aber einer, der bleibt.

Hoch inszenierte Portraits und großartige Momentaufnahmen

Borquez hat Architektur studiert, damals in Buenos Aires, und eine Zeit lang in seinem Beruf gearbeitet. Dann packte ihn die Sehnsucht, die Welt zu sehen, und er begann architektonische Editorials für Magazine zu fotografieren, um reisen zu können. „Meine Bilder waren damals eigentlich nur Mittel zum Zweck, erst als andere mir sagten, dass es etwas Besonderes in ihnen gebe, habe ich mich intensiver mit Fotografie beschäftigt“, erzählt der Autodidakt.

Der Blick für grafische Strukturen, für eine möglichst wirkungsvolle und ästhetische Verteilung der Elemente auf der Bildfläche, kurz so etwas wie der architektonische Blick, hat dabei stets eine Rolle gespielt. So wie bei einem anderen Bild, das im Erdgeschoss von Borquez’ dreieinhalbgeschossiger, 500 m2 großer Villa im Mönchengladbacher Viertel Rheydt hängt, gleich neben einem raumhohen Fenster, durch das der Blick auf einen verwunschenen Garten fällt. Es zeigt eine junge Frau, die auf dem Vordach der von Frank Gehry entworfenen Walt Disney Concert Hall in Los Angeles steht, genau an jenem prekären Punkt, an dem sich das postmoderne Dach zu einer Spitze verjüngt. Auch das ein „Schnapp- schuss“ – Borquez war schwer bepackt, sah die unwirkliche Szene aus der Ferne, rannte in Flipflops näher, ließ alles fallen, zog seine Kamera in Windeseile aus dem Rucksack, wechselte auf ein Teleobjektiv, rief „Hey“, und als sich das Model, das sich dort für ein Shooting befand, ihm zuwandte, drückte er ab.

Es gibt erstaunlich viele solcher „Snapshots“ in Borquez’ Portfolio; bekannt geworden ist er aber vor allem durch seine inszenierten Aufnahmen: Der Fotograf selbst mit Napoleon-Hut inmitten einer Gruppe …

 


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