Leicht flüchtig
Flirrende Akte, Fantasie-Collagen, Gebäudedekonstruktionen, Pflanzen-Studien – Carsten Wittes Portfolio ist vielschichtig. Eins aber haben die Bilder des Hamburger Fotokünstlers gemein: Sie erzählen von Schönheit und von deren Vergänglichkeit. Von Peter Schuffelen
Weniges in der Natur symbolisiert verschwenderische Schönheit, Leichtigkeit, aber auch die Endlichkeit des Lebens, so formvollendet wie Schmetterlinge. Fotografisch für sich entdeckt hat Carsten Witte die fragilen Wesen auf einem Flohmarkt. Später hat er sie dann fotokompositorisch mit dem zusammengebracht, was ihn von jeher am meisten fasziniert: die Schönheit des weiblichen Körpers. „Als ich vor einigen Jahren über einen Flohmarkt schlenderte und an einem Stand eine Sammlung mit präparierten Insekten fand, hatte ich ein Déjà-vu. Ich war zugleich fasziniert und abgestoßen, wie damals als Kind, als ich die Schmetterlingssammlung betrachtete, die der Vater eines Schulfreundes in seinem Arbeitszimmer präsentierte“, erinnert sich Witte.
„Diese wunderschönen Wesen waren ganz offensichtlich tot, aufgespießt von einer Nadel, und doch wirkten sie so lebendig.“ Jedes Mal wenn Witte, der vor dreißig Jahren als Mode-, Akt- und Beauty-Fotograf startete, sein Geld aber inzwischen hauptsächlich mit Fotokunst verdient, den Flohmarkt besuchte, kaufte er ein paar der gerahmten Falter. Irgendwann hatte er die komplette Sammlung des Händlers übernommen. Und begriff die Parallelen zwischen seiner Arbeit und der von Präparatoren, die, ähnlich wie er, davon getrieben sind, Schönheit festzuhalten, sie zu „fixieren“ – im eigentlichen Sinn des Wortes.
„Ich habe mich nie in eine Schublade stecken lassen.“
In seinem Studio öffnete Witte nach und nach die Glasrahmen, hinter denen die Schmetterlinge geborgen waren, nahm sie heraus und legte sie auf schwarzen Samt. Dann lichtete er sie in hoher Auflösung ab. Später, im Rechner, ersetzte er den Rumpf der Tiere durch Akte, die er in seinem Archiv fand, darauf achtend, dass die Flügel der Falter und die Körper und Haare der Models physiognomisch und farblich miteinander harmonierten. „Psyche“ hat er diese Serie genannt, in Anlehnung an die antike Erzählung „Amor und Psyche“, in der die bezaubernde Königstochter Psyche sogar Venus, die Göttin der Liebe und Schönheit, vor Neid erblassen lässt. Bis heute umfasst „Psyche“ rund 150 Foto-Composings; sie hat sich zu einer von Wittes erfolgreichsten Serien entwickelt. Und das nicht nur gemessen an der Anzahl der im Kunstmarkt verkauften Werke, sondern auch mit Blick auf die Anfragen der Werbekunden, die Witte beauftragten, ihre Kampagnenmotive im „Psyche“-Stil zu erstellen (darunter eine Lingerie-Marke und eine französische Spa-Kette). Inzwischen arbeitet der Hamburger allerdings nur noch ausnahmsweise für kommerzielle Kunden. Seinen Lebensunterhalt bestreitet Witte seit nunmehr zehn Jahren vielmehr durch den Verkauf seiner Fotokunst – in Form von streng limitierten Prints.
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Freie Kunst, jenseits der Schubladen
Die Postproduktion und Bildausgabe übernimmt Witte stets selbst und legt dabei viel Wert auf Perfektion und Details (siehe Interview). Seine Motivwelt ist vielschichtig, sie reicht von anmutigen Schwarzweiß- und erotisch aufgeladenen Farb-Akten über Beauty-Aufnahmen mit farblich extravagantem, teils symbolisch aufgeladenem Make-up bis hin zu Gesichts-Close-ups und Detailstudien…
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