DSGVO: „Die Kartoffel wird nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht wird“
Dr. Daniel Kötz (DGPh), Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und zertifizierter Datenschutzbeauftragter, über die Auswirkungen der Datenschutz-Grundverordnung auf die fotografische Praxis. Von Peter Schuffelen
Herr Kötz, die Datenschutz-Grundverordnung, kurz DSGVO, ist seit Mai dieses Jahres in Kraft. Die Verunsicherung bei Profifotografen ist groß, einige Fotografen spielen schon mit dem Gedanken, ihren Job an den Nagel zu hängen. Eine angemessene Reaktion?
Daniel Kötz: Nein, wer so denkt, ist klar fehlberaten. Ich muss gestehen, dass ich als Anwalt für Urheber- und Medienrecht selbst anfangs ziemlich besorgt war mit Blick auf die fotografische Praxis, als ich den Gesetzestext gelesen und erste Vorträge vor Fachkollegen gehalten habe. Inzwischen sehe ich die Sache aber deutlich gelassener. Kurz gesagt: Die Kartoffel wird nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht wird.
Was meinen Sie damit?
DK: De facto ist viel Panikmache vonseiten der Medien betrieben worden, und auch der Gesetzgeber hat eine eher unrühmliche Rolle gespielt. Der gesamte Prozess hätte kommunikativ viel besser begleitet werden müssen. Statt auf die datenschutzrechtlichen Lücken zu verweisen, die das Gesetz dankenswerterweise schließt, sind einseitig die Einschränkungen für Unternehmen, aber auch Privatpersonen, betont worden. Diese sind bei genauerer Betrachtung aber gar nicht so gravierend wie in der Öffentlichkeit dargestellt.
Können Sie das auf konkrete fotografische Arbeitsfelder herunterbrechen? Welche Fotografengruppen betreffen die Änderungen im besonderen Maße, und inwiefern müssen jene künftig anders agieren als bislang?
DK: Man muss unterscheiden: Für Street-Fotografen oder Bildjournalisten wird sich in der Praxis nicht viel ändern. Hier greift nach wie vor das Kunsturhebergesetz (KUG), das Ausnahmen zum „Recht am eigenen Bild“ festschreibt. Das „Recht am eigenen Bild“ bedeutet, dass Bilder von Personen grundsätzlich nicht ohne deren Erlaubnis veröffentlicht werden dürfen. Ausnahmen liegen aber vor, wenn die gezeigten Menschen lediglich „Beiwerk“ eines fotografierten Ortes sind, bei öffentlichen Versammlungen, wenn ein öffentliches Interesse an der Berichterstattung besteht, beim Ablichten von Personen der Zeitgeschichte oder wenn die abgebildeten Menschen Teil eines Kunstwerkes sind. Dies trifft auch auf die Street-Fotografie zu, wie das Bundesverfassungsgericht vor einigen Monaten in einem Urteil bestätigt hat. In den genannten Fällen muss der Fotograf auch in Zukunft die Erlaubnis der abgebildeten Personen also nicht explizit einholen.
Die DSGVO hebelt das seit 1907 bestehende KUG also nicht aus?
DK: Nein, die DSGVO ist zwar oberhalb des KUG angesiedelt, aber unterhalb der EU-Grundrechte-Charta. Schon in den Erwägungsgründen zur DSGVO heißt es, dass die DSGVO „der Menschheit dienen“ soll und beispielsweise nicht dem Recht auf freie Meinungsäußerung oder dem gesellschaftlichen Informationsbedürfnis oder der Freiheit der Kunst widersprechen darf. Ich bin fest überzeugt, dass sich deshalb für die beschriebenen Berufsgruppen in der Rechtsprechung künftig faktisch wenig ändern wird.
Ihre Antwort impliziert, dass das nicht auf alle fotografischen Genres zutrifft. Wer muss sich in Zukunft umstellen?
DK: Insbesondere Fotografen, die mit Models arbeiten, sei es aus werblichen oder editoriellen Gründen oder „just for fun“. Anders als bislang lässt sich eine einfache Einwilligung (zur Fotonutzung) seit Inkraftreten der DSGVO vonseiten des Models widerrufen. Dadurch könnten Fotografen das Recht …
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