DSGVO – Datenschutz-Grund-Unordnung

Die Datenschutzgrundverordnung DSGVO ist in aller Munde, und für professionelle Fotografen schmeckt sie bitter. Sie haben Angst, künftig Motive mit Menschen aufzunehmen. Doch nach der ersten Panik mahnen viele Fachleute zur Besonnenheit. Denn an digitale Fotos, auf denen Personen abgebildet sind, werden ähnliche Schutzanforderungen gestellt wie an ein Adressverzeichnis. Von Sebastian Drolshagen

Nicht aller Tage Abend: Zwar zieht die DSGVO die Zügel beim Datenschutz an, doch es wird weiterhin möglich sein, Bilder mit Personen zu zeigen und Veranstaltungen zu fotografieren – auch ohne Langzeitbelichtung.

Weltuntergang: Fast schien es, als würden wir nach der großen DSGVO-Welle Ende Mai alle mit Bienen und Blumen als Motiv Vorlieb nehmen (was bitte kein Affront gegen die Kollegen Naturfotografen sein soll). Einfach einen Stapel Releases in einen Stadion­block werfen, weil man gerade einen Wettkampf fotografiert und jede Menge personenbezogene Daten produziert – kein Spaß. Und bei der kirchlichen Trauung erst mal Datenschutzerklärungen neben die Lied-Heftchen in die Bank zu legen, klingt genauso unrealistisch.

Ist es auch, wenn man Thomas Hoeren fragt. „Das wäre maßlos übertrieben. Keine Angst vor Aktenordnern und zu vielen Informationspflichten“, sagt der habilitierte Jurist, der an der Universität Münster einen Lehrstuhl am Institut für Informations-, Tele­kommunikations- und Medienrecht innehat. Klingt erfreulich, doch der Fachmann entlässt die Fotografen keineswegs aus der Pflicht. Tauscht man sich mit ihm über die DSGVO in Bezug auf die Fotografie aus, wird deutlich: Wer bisher sauber gearbeitet hat, dürfte auch künftig kein Problem bekommen. Gerade mit Blick auf Braut und Bräutigam war das nicht immer der Fall. „Die Hochzeitsfotografie war unter dem alten Kunsturhebergesetz (KUG) ein schreckliches Übel. Man kann nicht einfach als professioneller Fotograf alle Hochzeitsgäste aufnehmen und dann die Fotos ins Internet stellen. Schon nach altem Recht war es nur erlaubt, die Hochzeitsgesellschaft als Gruppe aufzunehmen oder die konkrete Einwilligung einzuholen.“

Wie hältst du es mit dem KUG?

Das Stichwort „Kunsturhebergesetz“, kurz KUG, begegnet einem immer wieder bei der Debatte um die DSGVO. Viele Kolleginnen und Kollegen werden wissen, dass hier die Regeln stehen, die es bisher einfacher machten, Bilder ohne explizite Freigabe zu veröffentlichen, vor allem im journalistischen Umfeld. Stichworte zur Erinnerung: „Personen der Zeitgeschichte“ (Promis / „Caroline-Urteil“), Menschen als „Beiwerk“ oder das „konkludente Einverständnis“. „Wer eine Kamera sieht und weiß, dass ein professioneller Fotograf das Foto macht, gibt seine stillschweigende Zustimmung zur üblichen Nutzung solcher Fotos“, erläutert Prof. Dr. Thomas Hoeren. Er vertritt die Auffassung, dass diese Einwilligung nach neuem und altem Recht gleichermaßen gilt. Das KUG heranzuziehen, überlässt er anderen und fragt: „Wie kann ein Gesetz von 1909 eine Umsetzung einer Verordnung aus dem Jahre 2016 sein?“

Eine gute Frage, über die jedoch viele Streiter in Sachen DSGVO hinweggehen. Ihre Überlegungen kreisen darum, dass das KUG weiterhin gilt. Möglich wäre das, weil die DSGVO Ausnahmen von der Verordnung ausdrücklich zulässt. Auch Jan Philipp Albrecht verweist in seinem Blog auf eine Ausnahme nach Artikel 85 der DSGVO. Und Albrecht kennt den Text bestens: Er sitzt für die Grünen im Europaparlament, die DSGVO ist zu einem Gutteil sein Werk. Der Politiker notiert: „Durch die Paragraphen 22 und 23 des Kunsturhebergesetzes hat der bundesdeutsche Gesetzgeber bereits seit Jahren (jedenfalls was Fotografie betrifft) seine Pflicht aus Artikel 85 der Datenschutz-Grundverordnung erfüllt. Es bedarf dazu keiner expliziten Referenzierung der DSGVO. (…) So sieht das auch das zuständige Bundesinnenministerium.“

Haarsträubend, die DSGVO, aber für Tiere greift sie bislang nicht. Wer rein privat fotografiert, braucht sich ebenfalls den Kopf nicht zu zerbrechen.

 

Klingt hübsch eindeutig, Interessenvertreter wie der Deutsche Journalistenverband schlagen in die gleiche Kerbe. Derart klar liegen die Dinge allerdings nicht, wenn man mit Anne-Christine Herr spricht. Sie arbeitet für die Kanzlei „Wilde Beuger Solmecke“; die Kölner Anwälte haben sich auf Medienrecht spezialisiert. „Zu 100 % kann im Moment niemand etwas sagen, da wird es in den nächsten Jahren noch umstrittene Fälle vor Gericht geben“, pro­gnostiziert sie. „Eigentlich hätte der Gesetzgeber für noch mehr Klarheit sorgen müssen.“ Trotzdem sieht sie die Situation der Fotobranche nicht schwarz. „Bis jetzt galt das reine Anfertigen eines Fotos immer als ‚in Ordnung‘, obwohl es natürlich schon vor der DSGVO ein Bundesdatenschutzgesetz gab. Man hat sich – quasi selbstverständlich, aber rechtlich unsauber – nur um die Frage einer Veröffentlichung gekümmert und das KUG vorgezogen.“ Schon ohne europäisches Recht hat man die Privatsphäre des Einzelnen ständig gegen die Presse- und Kunstfreiheit abgewogen, beim Austarieren von DSGVO und KUG rechnet die Juristin mit einem ähnlichen Prozess. „Darüber hinaus können Fotografen immer mit einem ‚berechtigten Interesse‘ argumentieren, das in der DSGVO genannt wird.“

Ein Joker für die gewerbliche Fotografie? Womöglich ja. „Das berechtigte Interesse, von dem Artikel 6 der Grundverordnung spricht, ist denkbar weit gefasst. Das ist jedes Interesse, das nicht von vornherein rechtswidrig oder illegal oder unfair ist. Natürlich ist auch das wirtschaftliche Interesse, mit Daten zu arbeiten, grundsätzlich von einem berechtigen Interesse getragen“, stellt Stefan Brink klar, Landesbeauftragter für Datenschutz des Landes Baden-Württemberg (im Interview mit dem Politik-Podcast „Lage der Nation“).

Dass man „seinen Job macht“, könnte danach schon als berechtigtes Interesse im Sinne der Verordnung gelten. Ob ein Richter diese Einschätzung teilt, wenn es darauf ankommt, weiß derzeit niemand. Deshalb rät Anne-Christine Herr in jedem Fall zu einer Dokumention, zum Beispiel durch einen schriftlichen Auftrag, der das berechtigte Interesse untermauert. „Die DSGVO ist flexibler, als man denkt. Aber man sollte alles aufschreiben und sich sensibel für den Datenschutz zeigen. Vor allem bei Daten von Kindern setzt die DSGVO neue Maßstäbe.“


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